70 Nachfeier mit alten Raben

Gestattet mir ein paar Worte in eigener Sache. Ich freue mich das ihr so zahlreich erschienen seid um mit mir und Gubi die runden Geburtstage nachzufeiern.

Mit 70 richtet man gerne auch mal den Blick zurück, wo sind die Wurzeln.

Ich pflege immer zu sagen Kindheit in Pommern, Jugend in Thüringen, beginnendes Alter in Konstanz. Hier feiert heute als ein Pommeranze mit Euch (nein das klingt so nach Schädling, manche denken an den Kammerjäger) ein heimatvertriebener Pommer, der dann aus Thüringen nach Konstanz flüchtete.

Doch bleiben wir noch bei der Kindheit in Pommern, Pommern Land unter dem Meer, Hinterpommern Landstrich zwischen Oder und Pommerellen heute zu Polen gehörend war also die Heimat meiner Kindheit. Es muss auf jeden Fall eine kalte Gegend gewesen sein, denn der Volksmund sagt ,,den Pelz den trägt der Pommer im Winter wie im Sommer“ Die Pommern ,steht in einer alten Chronik zu lesen, sind großen Leibes, gutwillig, arbeitsam, nicht Liebkoser oder Schwätzer sondern redlich und wahrhaftig. Weiter heißt es sie haben vom Stamm der Wenden noch viel Grobheit, sind ein fressig, zehrend aber prächtig Volk. Auch sagt man ihnen nach sie seien im Winter so dumm wie im Sommer nur im Frühling sei der Bauer ein wenig schlauer. Friedrich der Große schrieb in sein politisches Testament, die Pommern haben etwas ungekünsteltes, natürliches sie würden nicht ohne Geist sein wenn sie besser gebildet wären.

Nun das sind natürlich alles Verleumdungen; wie ein Blick auf die Liste berühmter pommerscher Persönlichkeiten zeigt

Boron von Zitzewitz , Otto von Bismarck, Caspar David Friedrich, Adelsfamilie Von Kleist, Otto Lilienthal, Heinrich George, Hans Fallada, Rudolph Virchow, Claus Jürgen Wussow, Hans Modrow usw. usw.

Es gäbe noch viele pommersche Geschichten zu erzählen, wir lebten noch 2 Jahre unter Russen, Polen und mussten dann 1947 in einer Blitzaktion Pommern verlassen. Pommerland ist abgebrannt, gehört heute zu Polen und wir landeten nach einer 14 tägigen Eisenbahnfahrt mit Plünderungen und Entlausungen in Erfurt. Wir eine 6 köpfige Familie wurden mit Polizeigewalt bei einer Offiziers-Witwe in die Dreizimmerwohnung gesteckt.

Es beginnt die Jugend in Erfurt

Auch meine Frau Karin war über Umwege mit Ihrer Familie in Erfurt gelandet. Wir gingen dort zur Schule, lernten einen Beruf und irgendwann begegneten und verliebten wir uns.

Die Flüchtlinge in Erfurt waren eine nicht gerade willkommene Spezies und einer der so aussah wie ich wurde ganz schön gehänselt. Es lag am Haarschnitt.

Wie scheinbar in Pommern üblich war der Kopf kahlgeschnitten und nur in Richtung Stirn blieben ein paar Fransen stehen. Wenn ich auftauchte schallte es mir entgegen Glatze mit Vorgarten, Glatze mit Vorgarten usw. Dazu kam noch der aus einer Sofadecke vom Vater hergestellte Schulranzen, der bis in die Kniekehlen hing und dort an selbstgestrickten (aus aufgeräufelten Sofakordeln) langen grünen Strümpfen scheuerte. Es muss grotesk ausgesehen haben, aber wie man sieht es hat mich nicht umgebracht.

Nach einer, bei einem Krauter abgeschlossenen Feinmechanikerlehre, arbeitete ich bei Olympia (später Optima) in der Endmontage für Buchungsmaschinen und wir ergötzten uns an den aufgehängten Parolen ,,Eine Maschine mehr pro Tag gibt Adenauer einen Schlag“ Ob es wohl unsere Schläge waren die ihn von der politischen Bühne vertrieben?

Zur Formung oder Verformung (Menschen ohne Rückgrat) des sozialistischen Menschen erschallte zweimal am Tag das Kommando,, raustreten zum Sport, die Fenster auf, hoch das Bein ,die Arme streckt, zeigt der Partei was in Euch steckt“. Dazu plärrte der Lautsprecher Die Partei die Partei die hat immer recht die Partei die Partei die Partei oder andere Melodie Du hast ja ein Ziel vor den Augen, damit Du in der Welt Dich nicht irrst damit Du weist was du machen sollst usw. Irgendwann hatten die Funktionäre mich weichgeklopft und ich trat meinen Dienst in der Volksarmee an um den einzig rechtmäßigen Staat auf deutschem Boden gegen die revanchelüsternen westdeutschen Kriegstreiber zu verteidigen. Mit Liedern wie, den Faschisten werden wir nicht weichen fürchten auch den Kugelhagel nicht marschierten wir durch den sandigen Spreewald.

Durch einen Unfall (Bruch des Halswirbelkörpers) und 6 monatigem Klinikaufenthalt erfolgte die vorzeitige Entlassung .Wieder in Erfurt in der Montage: wir mussten eine sozialistische Brigade gründen und ein Buch der guten Taten führen in welchem anzugeben war welche Aktivitäten wir jeden Tag für den Sieg des Sozialismus geleistet hatten.

In dieser Zeit verlobte ich mich mit Karin und wir beschlossen unsere gemeinsame Zukunft im Westen aufzubauen, also die DDR zu verlassen. Auf dieses Ziel arbeiteten wir ein Jahr lang hin. Zur Tarnung besuchte ich noch einen Funktionärskurs - Arbeiterkontrolleure.

Im März 1961 drei Tage nach der Hochzeit und vier Monate vor Mauerbau gingen wir auf Hochzeitsreise und landeten in Berlin im Notaufnahmelager.

Heute fährt man zur Hochzeitsreise nach Hawaii und lässt sich vom auf und ab der Wellen einlullen. Wir teilten einen Raum mit sieben jungen Ehepaaren lagen unter einer Pferdedecke. In den Schlaf wiegte uns das Schwanken des dreistöckigen Metallbettes in dessen oberer Etage wir lagen. Alles flüsterte nur, denn jeder misstraute dem anderen. Vierzehn Tage wurden wir nur mit Nummern aufgerufen, zu eigenen Nummern kamen wir nicht.

Endlich war die ewige Befragung durch die Geheimdienste beendet, in einem offiziellen Akt wurden wir Bürger der Bundesrepublik mit Pass und 30 DM Einrichtungsbeihilfe. Hurra von nun an geht’s bergauf, der erste Flug unseres Lebens führte nach Frankfurt und von da über Notaufnahmelager Freiburg, St.Georgen nach Konstanz. Wir hatten damals die Vorstellung der Russe könnte noch das ganze Deutschland schlucken und da vermittelte die Nähe der Schweizer Grenze etwas Sicherheit.

Ich fand Arbeit bei der ruhmreichen AEG. In der Montage für Studiomagnetophon verdiente ich die ersten DM (204 pro Monat).

Nun der Russe ist nicht gekommen dafür nach und nach drei Mädchen. Prächtige Frauen sind es geworden. Meine Frau hatte der Patentabteilung den Rücken gekehrt und war eine patente Mutter geworden. In der Montage war ich gut aufgehoben wir waren eine gesamtdeutsche Truppe. Hamburg, Bottrop, München, Jena, Erfurt, Braunschweig alles war vertreten. Eine junge Mannschaft pflegte einen guten Zusammenhalt und heckte manchen Blödsinn aus.

Ein Jahrhundertereignis war die sogenannte Seegefrörne. Ober- und Untersee waren zugefroren. Wir marschierten nachts im Fackelschein über den Überlingersee ( Von Dingelsdorf nach Nußdorf) um dort im Kaffee Nußdorf einen zu heben und mit einem ordentlichen Rausch den Rückzug über die Eisflächen anzutreten. Die Eisdecke war an einigen Stellen gerissen und wir mussten über Wassergräben springen. Zweimal landete ich nach dem Sprung auf dem Bauch, doch der See wollte keinen von uns, wir waren ihm noch zu grün.

Das erste Mal die Berge sehen.

Schon im ersten Konstanzer Monat Juni fuhren wir zu 5. In einem klapprigen VW in die Berge, Brand war das Ziel, ich war überwältigt und die Liebe zu den Bergen und auch zu Brand ist geblieben.

Überspringen wir die nächsten Jahre im Sauseschritt, die Töchter erforderten viel Aufmerksamkeit, Zeit und Zuwendung. Vieles erlernten ich mit Ihnen (Reiten, Ski fahren, Radtouren mit Zelt etc.).

1968 nach Industriemeisterprüfung wechselte ich in den Analogvertrieb, mein Chef war Uwe. Dank guten Kollegen und Lehrmeistern (weißt Du Grüni lügen musst Du sehr genau, aber bedenke ein Vertriebsmann ist entweder gut oder ehrlich - Erwin Brust-, Uwe erläutert die Vertriebsplanung ,, Grüni Du musst einfach ein paar Projekte mit hohen Summen und großer Wahrscheinlichkeit kreieren, Chefs lieben gute Zahlen, nur durch sie bleiben sie Chefs“.

Nun Dank dieser guten Ausbildung wurde aus mir ein brauchbarer Vertriebsmann, der doch zum Erstaunen von Hausi tatsächlich in der Lage war Computer zu verkofen. In den letzten Vertriebsjahren war mein Schrei
Reengineering von Kunden und Geschäftsleitung gleichermaßen gefürchtet und ich erntete so manchen ,,Guten Mann“.

Nun das alles ist ja unsere gemeinsame Geschichte und so will ich Euch nicht langweilen. Ich hatte das große Glück in eine Kollegenschar aufgenommen zu werden die zusammen hielt sich gegenseitig unterstützte, die Eigenheiten des anderen zwar karikierte aber akzeptierte.

So haben wir viele schöne Jahre verbracht, mein Gott was haben wir oft gelacht. Einige Gallonen Wein wurden zusammen geleert und auf mancher Bergtour haben wir die überschüssigen Kräfte am Hang gelassen.

Wenn ich nun relativ gesund und munter unter Euch sitze, so liegt das auch an unserem guten Zusammenhalt, es liegt aber auch daran, dass ich noch aus der

Vorkriegsproduktion stamme. Echte Friedensware sitzt hier unter Euch welche zwei Jahre mit gutem pommerschen gelben Lebertran aufgezogen wurden.

Danke fürs geduldige Zuhören und ich wünsche mir noch viele schöne Jahre mit Euch.

Gubi 60

Von Reengineering hatten wir schon gehört, nun immer wenn dieser Ruf ertönte kam von Peter die Retourkutsche ,,Realix Realix alles andre ist doch nix nur mit ATMOS allein ist der Kund ein armes Schwein".

Möglicherweise wäre ja dieses Betriebssystem ein Riesenerfolg geworden, wenn der Verteiler der ,,Guten Männer" ich meine den mit den müden Augen mitgezogen hätte. Statt dessen mussten wir die Multibusfahne schwenken, unvergessen ist mir unser gemeinsamer Auftritt in Wien. Wir hissten in der Geschäftsstelle die Realixfahne und Gubi brillierte mit Realtime-Unix, Prozesslaufzeiten, Interrupt-Verhalten etc., kurz er trug all die Dinge vor die einem Vertriebsmann immer ein Tuch mit sieben Siegeln bleiben werden. Wir hatten einigermaßen Erfolg und es wurden Projekte in Aussicht gestellt. Vierzehn Tage später mussten wir auf Geheiß von Klett und Karbe die Multibusmaschine 32000M dem gleichen Vertriebskreis präsentieren. Ich mühte mich mit ein paar Folien die Unvergleichlichkeit der Hardware schmackhaft zu machen, die alten Wiener Akquisiteure vom Schlage eines Herrn Gold rieben sich erstaunt die Augen. Gubi grummelte im Hintergrund. Zwischenfrage: was denn nun kein Realzeit-Unix mehr?

Nun kommt Gubis Part die Multiprozessorsoftware vorzustellen. Nach der ersten Zwischenfrage wie denn wohl die Kommunikation unter den Prozessoren ablaufen werde und wer denn nun welche Aufgaben parallel bearbeite explodiert Gubi. Da wird überhaupt nix bearbeitet werden, wenn sie mich fragen ist das die größte Scheiße die ich hier vertreten muss, man weiß doch, dass Intel Probleme mit der Entwicklung hat und wir von der depperten AEG setzen auf dieses Pferd. Nicht nur ich war entsetzt ob dieses Ausbruchs und mein erster Gedanke war, Gott sei Dank ist der mit den müden Augen nicht im Publikum, sonst sähe Gubi gleich alt aus. Das war eine kurze Szene aus Gubis Systemunterstützungsära.

Systemunterstützung wird auch immer wieder vom Netzwerk der alten Raben benötigt Wir, die wir zwar Computer verkauften, aber um jede Tastatur einen großen Bogen machten und mit Mühe unsere Kilometerabrechnung einhämmerten, sind plötzlich alle zu PC Experten mutiert. Jeder geigt auf dem eigenen Expertensystem herum, konfiguriert die Hardware, experimentiert mit unterschiedlichen Firewalls und wenn das System dann so richtig platt am Boden liegt und die Maus nur noch schreckhaft zuckt, dann ruft man Gubi.

Du Peter bist Du zufällig in Konstanz, ich hab da son kleines Problem, so fängt es immer an und Peter sitzt oft Stunden dran. Dabei sind wir doch alle Experten

Oh Mann oh Mann oh Mann wir sind doch keine Datenverarbeitungskrüppel; wer außer uns ist schon in der Lage einen Anhang zur Mail in Einzelbuchstaben zerlegt auf die Leitung zu schicken und das noch nach Übersee. Oder zeigen sie mir mal einen außer mir der es fertig bringt eine ganz normale Mail auf 10 MB aufzublähen. Also für uns ist Peter ein Glücksfall und wir preisen seine Hilfsbereitschaft.

Hilfsbereit ist er immer egal wo wir unterwegs waren, er kümmerte sich um die Zurückgebliebenen, schleppte von Uwe den Rucksack, half Ulrike über schwierige Bergpassagen hinweg und blieb gelassen wenn unser Wölfi mit Boris im Gefolge schnellen Fußes der Hütte und dem besten Lager entgegenstrebten.

Was wünschen wir ihm zum 60?

Nun ganz klar, er möge so bleiben wie er ist und uns weiterhin mit DV Sachverstand und Hilfsbereitschaft zur Seite stehen.

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